Teil 11: Lost in Marrakech


Als wir uns am nächsten Morgen in aller Frühe aus den Wolldecken pellen, erwartet uns auf der Terasse ein wunderbares Frühstück mit phänomenaler Aussicht.

 


Hausgemachtes Brot und Gebäck, dazu Oliven. Sogar Butter wird aufgetischt, für uns in Marokko bisher einn ziemlich seltener Anblick.

 

Bei Honig- und Marmeladenbroten besprechen wir noch mal, wie und wann wir uns in Marrakech wiederfinden wollen. Gar nicht so einfach, denn Stefan und Sebastian haben weder Stadtplan noch Navi. Wir beschließen daher, uns in 3 Tagen per SMS-Absprache an einer exponierten Tankstelle oder Ähnlichem an der westwärtigen Ausfallstrasse nach Essaouira zu treffen.

 


Nach dem Frühstück fallen mir beim Aufsatteln in der Garage plötzlich Brandlöcher in meiner Sitzbank auf…

 


… als ob dort jemand eine Zigarette liegen gelassen hätte.

 


Als wahrer Schuldiger entpuppt sich schließlich aber eine große 5-Liter-Wasserflasche, die das Sonnenlicht gestern offenbar exakt auf die Sitzbank fokussiert hatte.

 


Trotz der trockenen Jahreszeit finden wir südlich von Ouirgane doch noch eine kleine Flußdurchfahrt, die wir uns alle sorgfältig in unsere digitalen Fotoalben heften. Mein Motorproblem von gestern ist völlig verschwunden.

 

Bei Asni trennen sich schließlich unsere Wege: Stefan und Sebastian drehen zum Wandern nach Süden in den Toubkal Nationalpark ab, Behrang und ich fahren gen Westen Richtung Schotter. Wir schlängeln uns zunächst am Fluss Oued n‚ Fis entlang, fahren dann über Amizmiz auf einer herrlichen staubigen Piste bis nach Guemassa, wo wir schließlich nach Nordosten Richtung Marrakesch abbiegen. Behrang muss zwischendurch mehrfach seine Brille putzen und stellt dabei fest, dass auf den Videos seiner GoPro samt und sonders nichts zu erkennen ist.

 

 

Gegen Nachmittag trinken wir an einem Strassengrill neben der schnurgeraden N8 eine kalte Cola. Per Fingerzeig kauft uns Behrang beim Metzger nebenan „Das da!“, wobei sich „Das da!“ als überaus appetitliches Lammkotelett entpuppt – soweit ich mich erinnere sogar das erste auf unserer Reise! Seit dem wir afrikanischen Boden betreten haben, begegnen uns allerorten Schafe, Lämmer und Ziegen – von ihrem Fleisch aber keine Spur. Gegrilltes bekamen wir bisher stets nur von der Kuh, wahrscheinlich weil es sich teurer verkaufen lässt.

Mein Navi leitet uns durch die Vororte zielsicher bis in die Medina von Marrakesch, wo Behrang die Führung übernimmt. Er will uns zu einem Riad bringen, einer Art Pension in einem traditionellen Stadthaus, in dem er letztes Jahr bei einer Städtereise für eine Woche gewohnt hat. Die Strassen dorthin werden zunächst immer verzweigter, der Verkehr immer dichter, wieder bräuchte man Augen in alle Richtungen. Als wir irgendwann sogar durch überdachte Hallenbereiche der historischen Altstadt fahren, hege ich erste Zweifel an der Richtigkeit von Behrangs Streckenführung, die er aber nach ein paar Minuten mit dem Auffinden des Riads stolz ausräumen kann. Meine Freude darüber wird nur vom Fehlen einer Garage o.Ä. getrübt, denn wenn man sein Motorrad auf dieser Reise des Nachts ÜBERHAUPT irgendwo einigermaßen sicher wissen möchte, dann ja wohl hier, in Marrakech!

 

 

Für den Besitzer, der Behrang direkt wieder erkennt, ist das allerdings das kleinste Problem. Die Motorräder werden natürlich – pas de probleme – im Foyer der Pension geparkt, und zwar so, dass die Mitarbeiter in den nächsten Tagen – pas de probleme – überaus umständlich um sie herumkrabbeln müssen. Das wesentlich größere – petit probleme – stellt für ihn die Tatsache dar, dass seine Bude ratzekalinski ausgebucht ist, bis auf das letzte Zimmer alles voll, in einem Raum liegt sogar eine Reisegruppe aus Brasilien, 10-köpfig! Dass er seinen alten Freund Behrang aber nicht wegschicken möchte, nicht wegschicken DARF, ist auch klar, und zu guter Letzt räumt der Mann – pas de probleme – kurzerhand sein Büro und stellt uns stattdessen zwei Betten rein. Behrang bedankt sich freundlich und teilt mit, dass wir wohl – pas de probleme – in seinem Büro schlafen würden, dann aber doch sicher nicht zum vollen Preis, das wäre ja wohl Ehrensache. Zur großen Zufriedenheit aller einigt man sich schließlich auf 9€.

Wir verbringen zwei spannende Tage in Marrakech, besuchen sämtliche Märkte, essen wunderbare Speisen, schwitzen in winzigen Hammams, schlagen in engen Gassen eine gefühlte Million Kaufangebote aus. MSir! MSir! Schauen kostet doch nichts!

Überraschenderweise tauchen Sebastian und Stefan schon am nächsten Abend in Marrakesch auf. Ihre Wanderung war spannend, inklusive Privateinladung zu einer Dorfhochzeit. Aber nach zwei strammen Märschen in den Bergen hatten die beiden die Faxen dicke und mehr Lust, wieder Motorrad zu fahren, was ich nur zu gut verstehen kann.

 


Schlangenbeschwörer auf dem Djemaa el Fna, dem zentralen Marktplatz von Marrakesch.

 


Ja gut, muss es auch geben.

 


An einem der unzähligen mobilen Stände bestellen wir das Angebot ein mal rauf und runter. Zu viel! Die Hälfte nehmen wir am Ende in der DoggyBox mit nach Hause und schenken sie auf der Dachterasse unseres Riads den hungrigen Backpackern.

 


Ed, ein allein reisender Engländer, ist uns allen schnell an Herz gewachsen. Wenn es Pernod und eine Marquise gibt, ist er immer dabei. Unsere abendlichen Gespräche sind abwechslungsreich und erfrischend. Seine bassige Radiostimme brummt bis tief in die Nacht von der Terasse durch alle Flure des Riads.

 

 

Nach zwei Tagen ohne unsere Motorradklamotten machen wir uns schließlich auf den Weg an die Atlantikküste. Marrakech war super, die Entscheidung, ein Abstecher hierher zu machen, war goldrichtig.

Ganz so schnell will uns die Königsstadt aber offenbar nicht gehen lassen. Eine gute halbe Stunde kämpfen wir uns orientierungslos durch die engen Gassen der Medina, die kaum breiter sind als unsere Motorräder, und in denen mein Navi einfach keinen Empfang bekommt. Die letzten 5 Minuten dieser Odysee kann Behrang auf Video bannen. Er schaltet die Kamera zu einem Zeitpunkt ein, an dem er den Anschluss zur Gruppe bereits verloren hat. Wie er uns – pas de probleme – wiederfindet, ist einmal mehr eine Lehrstunde in Marokkanischem Pragmatismus:

 

Als wir danach Richtung Westen sprichwörtlich in die untergehende Sonne reiten, können wir es nach fast 3 Wochen kaum erwarten das Meer wieder zu sehen!

 


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Kommentare

2 Antworten zu „Teil 11: Lost in Marrakech“

  1. Avatar von Jan

    Suuuper Bericht, tolle Fotos und schöner Stil!
    Wir waren 2010 zu Dritt auf zwei Moppeds in Marokko unterwegs. Streckenführung ähnlich Eurer.

    Wunderbar!

    Gruß

    Jan

  2. Avatar von Freerk
    Freerk

    Hey Jan!
    Ja, habe ich jetzt auch schon von einigen Leuten gehört. Dabei sind wir die Route ja nicht einfach „nachgefahren“, sondern haben jeden Abend neu geplant. Scheint sich so aber anzubieten.
    Danke für die Blumen!

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