Teil 12: Am Strand von Sidi Kaouki

Als erste Amtshandlung müssen wir am nächsten Morgen einen Reifen flicken.
Diesmal unglücklicherweise meinen.

 

 

Beim Einlaufen auf unserem Campingplatz gestern Abend hatte ich mich zunächst über ein schwammiges Gefühl am Hinterrad gewundert. Verantwortlich war ein Stück Stahldraht, das ich, unter den größer werdenden Augen aller, langsam Stück für Stück aus meinem TKC80 zog.

 


Das Teil wurde länger und länger, und maß am Ende stolze 6 Zentimeter.


Dass ich mir den Draht offenbar erst auf dem Grundstück des Campingplatzes reingefahren hatte, ist im Nachhinein betrachtet wohl riesiges Glück. Die touristisch voll erschlossene Atlantikküste Marokkos ist vielleicht nicht das Rif-Gebirge, aber auf einen Reifenwechsel im Nirgendwo bei völliger Dunkelheit hätten wir auch hier sicher keine sonderlich große Lust gehabt.

Von Sebastians Tenere sind wir ja schon ein Bisschen in Übung, aber diesmal ist es ein Hinterrad, ein 150er Stollenreifen, über dessen Widerspenstigkeit schon mein Berliner Reifenmechaniker beim Einbau tüchtig geflucht hat. Da das gute Stück mittlerweile aber schon etwa 6000km auf dem Buckel hat und richtig schön mürbe geworden zu sein scheint, ist es am Ende keine große Sache: In Badeshorts und Motorradstiefeln hüpfen wir zu viert munter auf dem Mantel herum, bis er ins Felgenbett springt, und hebeln ihn dann mit Montiereisen einseitig aus der Felge. Ersetzt wird der punktierte Schlauch durch das von mir verfluchte Mitbringsel seit Barcelona: den vergessenen Elefantenschlauch. So findet doch noch alles seinen Platz!

 


Halbe Stunde später: KRad-Melder Freerk meldet sich zurück zum Dienst!


Was ich mit dem so reparierten Fahrzeug in den folgenden 3 Tagen anstellte, lässt sich mit Worten im Grunde genommen nur unzulänglich beschreiben. Sidi Kaouki ist ein kleines Dorf an der Atlantikküste, 20km südlich von Essaouira. Es gibt eine Surfschule, kleine Läden vermieten aus Garagen Kite-Equipment, es werden verträumte Pferde-, Kamel-, oder 50ccm-Quad-Ausflüge am Strand angeboten, und ein paar braungelockte Jungs scheinen sich auf die Begleitung europäischer Damen spezialisiert zu haben. Wir bewohnen den einzigen Campingplatz im Ort, der zu dieser Jahreszeit trotzdem quasi leer ist. Nicht gerade ein Abenteuer-Eldorado also.

Ich fahre die Teerstrasse in den Dünen ein Bisschen auf und ab. Tolle Aussicht, die Wellen brechen unter lautem Getöse, und es riecht endlich einmal nicht nach Marokko, sondern nach Meer. Auf einem höher gelegenen Plateau oberhalb des Strandes gibt es neben ein paar Läden auch eine Polizeistation. Einen davor im Schatten dösenden Beamten frage ich bei einer kalten Cola beiläufig, ob es legal sei, hier am Strand Motorrad zu fahren. Angesichts der sich weit verteilt sonnenden Touristen und der träge dahin trottenden Kamele stelle ich mich auf eine Absage ein – die aber nicht kommt. Erst weiß der Mann gar nicht wovon ich spreche, dann versteht er Ob es legal sei, mit einem gestohlenen Motorrad am Strand zu fahren, rückt seine Mütze zurecht, und sieht mich prüfend an. Neinnein, erkläre ich umgehend, das Motorrad – est à moi – aber sei es damit denn – pas de probleme – d´aller sur la plage? Bien sûr, antwortet er dann, und schaut mich dabei an, als hätte ich gefragt, ob es in seinem Land legal wäre, Wasser aus einem Glas zu trinken.

Ach schön, denke ich noch, dann gibt es in Sidi Kaouki ja doch ein Bisschen was zu unternehmen.

Und war fortan weg vom Fenster.

 


Ich bin völlig durchgedreht.

 


Das war noch ein Bisschen besser als Wüste!

 


Komm, eine Runde geht noch!

 


Irgendwann war ich dann natürlich völlig Fritte.


Klar, dass sich das auch die anderen nicht entgehen lassen wollten.

 


Sebastian driftet einen Donut nach dem anderen…

 


… Behrang redesigned erst sein Motorrad…



… um sich dann kurzerhand doch umzuentscheiden.



Derweil lernt Stefan nette Leute beim Kiten kennen. Für jeden was dabei!



Der Strand sah nach unserem Einfall aus wie eine Baustelle!


Klar, dass bei einer so fanatischen Begeisterung kleine Rückschläge nicht ausbleiben:

 

Nach endlosen Kilometern im festen Atlantiksand, tausenden aufgescheuchten Mövenschwärmen, dutzenden verärgerten Kamel-Touristen (und von ihrer völlig unzureichenden Leistung enttäuschten Quad-Mietern), setzen wir uns zum Sonnenuntergang zufrieden vor unsere Zelte. Ein guter Tag!

 


Zum Abendessen gibt es direktvermarkteten Bonito vom Grill und einen Pernod (oder zwei). Prost!



Zu guter Letzt geht es dann im Mondenschein ins „Cafe Sansstress“…



… das ein paar Locals betreiben. Bei gemütlichem Lagerfeuer gibt es heimlich Dosenbier zu deutschen Kneipenpreisen. Wem das zu illegal ist, der darf hier alles rauchen, was nicht niet- und nagelfest ist.

So lässt es sich aushalten!


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Kommentare

4 Antworten zu „Teil 12: Am Strand von Sidi Kaouki“

  1. Avatar von Ernie Troelf

    Tolle Reiseberichte!
    Macht echt Laune hier mit zu lesen.
    Freue mich über jeden neuen Eintrag… 🙂

    (Mit schwarzer Schrift auf schwarzem Grund zu kommentieren ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig… 😉

  2. Avatar von Freerk
    Freerk

    Ach du Scheisse!
    Das ist mir ja überhaupt noch gar nicht aufgefallen.
    Aber gut, das Design ist ohnehin temporär, dann setz ich mich da jetzt mal dran.
    Schön, dass es Dir gefällt!

  3. Avatar von Susanne Herrmann
    Susanne Herrmann

    Toller Bericht, super Fotos!!!!
    Meine letzten Zweifel, Afrika mit dem Motorrad zu bereisen sind hiermit beseitigt.Vielen Dank und viel Spaß noch bei deinen Touren.

  4. Avatar von Freerk
    Freerk

    Danke Susanne! Ja, trau Dich nur! Ich hab mich am Anfang ja auch schwer getan – meine letzten Zweifel wurden erst von Land & Leuten selbst ausgeräumt.
    Viel Spaß bei den letzten drei Kapiteln!

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