Teil 3: Verhandlungssache

Als mich Frühaufsteher Pierre am nächsten Morgen weckt, ist die Geisterbahn der letzten Nacht nur noch eine unscharfe Erinnerung an stockfinstere Strassen und wenige Pausen. Zwei zerknitterte Red Bull-Dosen liegen als stumme Zeugen leer in meinem Tankrucksack, die letzten 50 Kilometer bis Fès müssen wir in einer Art Trance auf Autopilot zurück gelegt haben. Vor den Toren der Stadt wurde mit letzter Kraft der Lonely Planet bemüht, und nun liegen wir im Royal, einem einfachen Hotel im französischen Kolonialstil.

 


Vor unserem Fenster spielen Kinder. Eine bessere Musik kann ich mir nach der letzten Nacht nicht vorstellen.


Behrang, unser Mann fürs Feilschen, konnte den Übernachtungspreis auf 8€ drücken. Unsere Bikes stehen im Hof, der Portier schlief daneben.


Wir entschließen uns, eine Stadtführung zu machen. Deutsche Guides sind nicht zu finden, deshalb vermittelt uns unser Portier einen englischsprachigen, der mit mir allerdings ausschließlich Französisch spricht. Die Motorräder lassen wir stehen. Als Transportmittel der Wahl bietet sich in Städten immer auch das Taxi an: Fast Überall verfügbar und spottbillig – sofern man den Betrag vorher ausdealt.

 

Kann vorkommen: Der Fahrgast sagt wo´s lang geht


Grundsätzlich ist in Marokko außer den Benzinkosten an der Zapfsäule KEIN PREIS FIX. Alles kann und soll verhandelt werden. Rabatte, wie wir sie hierzulande kennen, sollte man sich dabei allerdings nicht zum Ziel nehmen. Statt 10 oder 20% sind in Marokko gern auch mal 80% drin, denn die kommen schließlich beim Anblick eines europäischen Touristen vorher erst mal drauf! Man sollte sich im Übrigen hüten, im Kopf deutsche Preise als Relation heran zu ziehen, denn in Marokko ist alles billiger. Selbst dann noch, wenn der Verkäufer das 10-fache des ortsüblichen Preises verlangt. Und das tut er, so sehr er auch jammert.
Für den seltenen Fall, dass man etwas wirklich haben will, muss man sich zusammenreißen und kein allzu starkes Interesse am Produkt zeigen. Es hat uns immer geholfen glaubwürdige Argumente für einen niedrigeren Preis vorzubringen: Die Anreise nach Marokko war bereits sehr teuer, und zu Hause warten Frau und Kind. Oder: Das mitgeführte Geld reicht nicht aus (dazu ist es empfehlenswert verschiedene Gelddepots in den Taschen zu führen). Oder: Der Preis sei offensichtlich ein touristischer und somit als Wucher von offizieller Seite nicht erlaubt.
Im weitaus häufiger anzutreffenden Fall, dass man etwas wirklich nicht haben möchte, wird es komplizierter. Beim Teppich- oder Tongeschirrhändler reicht ein Verweis auf das für Produkte dieser Größe ungeeignete Transportmittel Motorrad meistens nicht aus. Hier hilft es nur, sich freundlich und direkt, vor allem aber respektvoll zurück zu ziehen. Man muss dem Gegenüber immer die Möglichkeit geben, die Verhandlung erhobenen Hauptes zu beenden. In besonders hartnäckigen Fällen kann dann immer noch ein Je vais revenir demain, inschallah! vorgebracht werden, Ich komme morgen wieder, so Gott will! Und wenn ich überraschenderweise morgen doch nicht wiederkomme, so ist das ganz klar Gottes Wille, und wer wolle sich mit dem schon anlegen?

 


Im Schlepptau durch die Altstadt von Fès.



Die Gerbereien, natürlich. Wer auch immer die zu einer Touristenattraktion erkoren hat.



Klappern gehört zum Handwerk: Zum Schnuppern gegen den ach-so-schlimmen Gestank gibts Minze für die Nase. In Wirklichkeit weht da allerdings höchstens ein leichter Geruch. Ihre Duftkräuter sollten sie lieber am Hafen von Tanger ausgeben!



Keine Marokkanische Stadtführung ist nicht auch eine Verkaufstour: Wir werden durch je einen Leder- und Textilladen geschleust, das große Finale bildet diese Apotheke. Was da alles getrocknet und gemahlen verkauft wird, das glaubt man nicht. Hauptsache Peta bekommt das nicht spitz!

 


In der Informatik nennt man das hier das Back-end. Müllabfuhr und Kläranlagen? Fast überall Fehlanzeige, die Menschen haben andere Probleme. Beim wild campen in Marokko verbrennt man übrigens seinen Müll, das ist das kleinere Übel.


Gestern Abend hatten wird eigentlich geplant, zwei mal in Fès zu übernachten, aber Pierre und Achim, die etwas weniger Zeit in Marokko haben, drängen schon heute zum Aufbruch. Da unser Durst nach Großstadt vorerst gedeckt ist, und wir ohnehin auch noch Marrakech und Casablanca in der Planung haben, willigen wir ein und satteln die Pferde.



Zum Abschied gibt es noch eine traditionelle Tajine, einen in typischen Tongefäßen gegarten Schmortopf, mit Zwiebeln, Pflaumen und Fleisch. Tajines gibt es in allen erdenklichen Gemüse/Fleisch-Kombinationen.


Unterwegs in Richtung Atlas wird es merklich frischer. Da wir uns nach der gestrigen Tour de Force geschworen hatten, nie wieder nachts zu fahren, beziehen wir schon knapp 80km südlich von Fès zwischen Ifrane und Azrou auf einem Campingplatz Stellung. Als sich heraus stellt, dass der marrokanische Besitzer 20 Jahre lang um die Ecke in Köln-Ehrenfeld gewohnt hat, wird sofort in rheinischem Dialekt verhandelt. Für Begeisterung sorgen bei den sonst so harten Bikern auch die geschätzten 50 Miezekatzen, die sich augenblicklich in unseren noch warmen Radkästen niederlassen.

http://www.campingamazigh.com/

 


Mäuseblech von Touratech?


Der Katzenfänger von Neukölln legt eine unwiderstehliche…



… Mayospur!



Für die heiß ersehnte Dusche sorgt ein Holzboiler.


Zum Abendessen gibt es Kouskous mit Gemüse. Mit dem örtlichen Metzger konnten Sebastian und ich uns trotz zäher Verhandlungen preislich leider nicht einigen. Als wir mit leeren Händen heimkehren, ernten wir erst lange Gesichter, dann Verständnis. Auch wenn das lebendige Huhn noch so lecker guckt: Man muss auch nein sagen können.
Warm eingepackt rekapitulieren wir das Erlebte und planen die Strecke für den nächsten Tag. Es geht endlich rauf in den Atlas!


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