Die Gesichter sind noch ziemlich lang, als wir uns am nächsten Morgen zum Frühstück treffen. Keine Tagesplanung mehr zu dritt, kein Wer-verstaut-welche-Lebensmittel oder Wer-hat-das-Klopapier mehr. Ab jetzt gibt es nur noch zwei Motorräder, und wenn man da das Klopapier nicht selbst hat, dann hat es der andere.
Darüberhinaus wird es auf Behrangs und meiner Maschine ab jetzt richtig eng. Denn Allgemeingut, dass ursprünglich auf fünf Motorräder verteilt werden konnte, das Tarp-Zelt zum Beispiel, oder ein Kompressor, muss nun auf zwei Packeseln Platz finden.
Sebastian hat telefonisch einen fertig gestrickten Reiseplan vom ADAC bekommen. Ich selbst bin, wie viele Motorradreisende, seit Jahren Plus-Mitglied, habe den Dienst bisher aber nie in Anspruch nehmen müssen. Deshalb ist der Service-Umfang für mich neu. Wirklich beeindruckend ist dabei nicht, dass der ADAC die Kosten übernimmt, sondern, dass er von vorn bis hinten, vom Pickup bis zur Haustür, alles organisiert, inklusive Zeitplan.
Ein letztes Abschiedsfoto, dann machen sich die last men riding auf den Weg. Sebastian wartet vor der Pension auf den Abschleppwagen, mit dem er dann gemeinsam zu seinem Motorrad fahren will.
Behrang und ich peilen wieder die Karpaten an und biegen dann hinter Brasov Richtung Südwesten ab. Ein kleines Stück fahren wir auf einer Strasse, auf der wir schon auf dem Hinweg vorbei gekommen sind. Mittags schlagen wir daher wieder im Dracula-Dorf Bran auf, dort, wo wir uns vor knapp einer Woche von Stefan und Sarah getrennt hatten. Alles ein Bisschen doof gelaufen diesmal, denke ich in meinem Helm. Was hätte man anders machen können? Was hätte man vorhersehen können? Vorhersehen müssen?
Behrang möchte unbedingt einen kleinen Abstecher zum Dracula-Schloss machen. Normalerweise bin ich immer für alle Schandtaten zu haben. Aber heute fehlt mir für die Horden von Touristen-Zombies einfach die nötige Gelassenheit; Busladungen von Menschen, Familien und Schulklassen zwängen sich durch enge Gassen, an Souvenirständen vorbei, aus Lautsprechern schallt das obligatorische, folkloristische Geplärre.
Ich winke dankend ab, und Behrang springt zu einem Dracula-Besuch im Schnelldurchlauf los. Nach einer Viertelstunde ist er wieder da, und wir knattern weiter.
30 wunderbar kurvige Kilometer weiter finden wir am Nachmittag einen schönen Campingplatz mit Blick aufs Tal. Eigentlich ist es zum Zelte-aufschlagen fast noch ein Bisschen früh. Aber etwas weiter nördlich gibt es eine Schlucht, die ich mir unbedingt ansehen will. Da sie eine Sackgasse ist, können wir genauso gut jetzt alles abladen, und mit leichten Motorrädern fahren.
Anfangs ist die Strasse noch gut asphaltiert. Zwischen hohen Felswänden schießen Behrang und ich durch die Kurven der Dâmbovicioara-Schlucht, immer entlang eines kleinen Baches.
Aus Teer wird irgendwann loser Schotter mit großen Pfützen, was unserem Fahrspaß aber keinen Abbruch tut. Allein meinem selbstgebautem Tooltube scheint das Gerumpel der letzten Tage nicht mehr zu gefallen: Die Befestigungs-Schelle verabschiedet sich vor einer Kurve mit einem lauten Klirren. Mit einem Spanngurt wird das Abflussrohr provisorisch (und für den Rest der Tour) fixiert.
Als wir von unserem Ausflug heimkehren, wird es schon langsam dunkel. Wir machen uns etwas zu essen und SMSen mit Sebastian, dem es gut geht.
Den Schinkenaufschnitt, den wir schon seit ein paar Tagen spazieren fahren, bekommt der Hund des Zeltplatzes, der sich überaus ergeben zeigt.
Vor unseren Zelten sitzend, beobachten wir auf der anderen Seite des Tals das Flackern der Autoscheinwerfer, wie sie im Zickzack die Serpentinen des Bran-Passes nachzeichnen. Morgen stehen bei uns selbst endlich wieder ein paar Gipfel auf dem Programm. Und auf der Nationalstrasse 7A wollen wir, abseits der Hauptverkehrswege, über 100 Kilometer mitten durch die Karpaten fahren, immer am Fuß des Hauptkammes entlang.
Die Etappe: 170km
Am Ende war es zwar doch ein ganz entspannter Tag. Doch die nochmalige Verkleinerung der Reisegruppe hat, zumindest bei mir, merklich auf die Stimmung geschlagen. Da aber zumindest das Wetter einigermaßen mitzuspielen scheint, versuche ich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und freue mich auf die morgige Etappe.
Meanwhile – in Bucarest:
Unterdessen ist Sebastian in Bucarest angekommen, von wo er bald nach Frankfurt weiterfliegen soll. Ein netter Fahrer hatte ihn, wie geplant, in Nehoiu abgeholt. Gemeinsam haben sie die alte Knickschwinge abgeholt und sind nach Brasov gefahren, von wo Sebastian dann mit dem Bus weitergetuckert ist.
Sein riesiges Hotelzimmer und der Palast der Republik habe ihm nach eigenen Angaben besonders gefallen. Das ist vor allem deshalb unverschämt, weil Sebastian während der Planung unserer Tour der einzige war, der NICHT nach Bucarest wollte, aber nun wiederum der einzige ist, der die Hauptstadt sehen darf. GRRRRR!
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