Ermüdende Nörgelei

Wisst ihr, was ich richtig toll finden würde?
Was wirklich super wäre?
Wenn ich jedes mal einen Euro bekommen würde, wenn ein Motorradfahrer über Ewan McGregor oder Charley Boorman nörgelt.

Ewan McGregor und Charley Boorman sind zwei britische Schauspieler. Den einen kennt man, weil er mal Obi Wan Kenobi gespielt hat, und den anderen kennt man, weil er mit dem einen mal zwei Fernreisen auf dem Motorrad unternommen hat. Okay, nicht nur deswegen, aber damit ging es zumindest los. Die erste Tour der beiden Freunde ging von London aus 30000 Kilometer ostwärts bis nach New York, in der Hauptsache quer durch die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die zweite Tour führte die beiden von Schottland aus südwärts 24000 Kilometer bis nach Südafrika. Über beide Touren gab es jeweils eine Dokumentarfilmreihe, die ein großer Erfolg im Fernsehen und auf DVD wurde.

Schön für die beiden, sollte man meinen, das hat sicher eine Menge Spaß gemacht. Jeweils mehr als drei Monate im Sattel durch die schönsten Landschaften der Welt, wer würde das nicht gern machen? Das Problem ist: Der Motorradfahrer an sich ist zwar ein nettes Kerlchen. Aber seinem Nächsten gönnt er nicht das Schwarze unter den Fingernägeln! Erst recht nicht, wenn sich jemand am harten und unerbittlichen Image des Motorradfernreisetourismus vergeht! Ein Weltreisender hat gefälligst im eigenen Schweiss für jeden Kilometer seiner Reise zu leiden.

Und genau das war bei Obi Wan und seinem medialen Padawan angeblich nicht der Fall. Auf ihren Touren wurden die beiden nämlich begleitet: Zum einen von einem motorisierten Kameramann, zum anderen von zwei Geländewagen, in denen Producer, Arzt und Material transportiert wurden. Mal direkt auf ihren Fersen, mal mit ein paar Tagen Abstand. Oft, wenn den Motorradfahrern etwas passierte, sei es Benzin im Auge oder ein veritabler Rahmenbruch, war die Kavallerie aus der Dose zur Stelle und stand mit Dolmetscher und reichlich Bargeldreserven zur Stelle. Und das geht auf GAR-KEINEN-FALL mit den internationalen Statuten einer authentischen Kraftrad-Fernreise konform!

 

Natürlich gibt es weder ein Übereinkommen darüber, was eine glaubwürdige Motorradreise sei, noch haben Ewan McGregor und Charley Boorman jemals behauptet, ihre Dokumentation in einem solchen Rahmen zu produzieren. Wenn sich gleich in der ersten Folge eine Armada von Rechercheuren um die nötigen Visa kümmert, große Motorradkonzerne das Fahrgerät spendieren oder ein Sicherheitsberater die Protagonisten versuchsweise mit dem Maschinengewehr beschießt, dann sollte doch jedem klar sein, dass es bei Long Way Round und Long Way Down nicht um einen privaten Urlaubstrip geht. Die Produktion einer 7-teiligen Dokumentation erfordert bestimmte Voraussetzungen was Sicherheit von Mensch und Investition angeht. Da kann man nicht einfach mit Camcorder und Spiegelreflex losfahren, und der BBC nach drei Monaten das Material auf den Tisch knallen.

Und auch die Annahme, derlei begleitete Reisen würde das Ansehen vermeintlich „echter“ Motorrad-Haudegen schmälern, ist doch absurd. Ich behaupte, Long Way Round hat mehr Menschen mit dem Motorrad-Fernreisevirus infiziert als irgend jemand anderes. An dieser Stelle werden dann immer gern die üblichen Verdächtigen der einschlägigen Zweirad-Reisemagazine genannt, mit ihren Diashows und Polo-Impulskaufbereich-DVDs. Zugegeben, deren Reiseberichte sind natürlich auch total spannend, und sobald sich einer von ihnen mal nach Berlin verirrt (und nicht nur Niedereschach), sitze ich auf jeden Fall im Publikum. Aber die unterhalten einen Saal ohnehin interessierter Leute für 90 Minuten – und nicht Millionen für ein paar Wochen.

Und genau das sollen die Long Way-Serien auch tun. Sie sind Unterhaltung. Und zwar gute Unterhaltung wie ich finde. Im Übrigen: Wer eine ADAC-Karte im Portemonnaie hat, wäre dann im Grunde genommen doch auch kein richtig harter Kerl. Oder?

 

 

p.s.
Während McGregor nach den beiden Produktionen leider keine Zeit mehr für eine Motorradreise mit seinem Freund Charley gefunden hat, ist dieser in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen und hat neben einer Rally Dakar Teilnahme zwei Staffeln seiner Reisedoku „By any Means“ und eine Staffel namens „Extreme Frontiers Canada“ gedreht (siehe unten). Alles ganz nett anzuschauen, aber keine reinen Motorradreisen. Vielleicht wird es ja doch noch mal was mit McGregor und Boorman; durchs Netz geistern hier und dort immer noch Spekulationen über einen Long Way Up von Süd- nach Nordamerika.


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Kommentare

4 Antworten zu „Ermüdende Nörgelei“

  1. Avatar von Ernie Troelf

    Recht hast Du. – Außer mit der ADAC-Karte. Die macht dich mitunter erst recht zum harten Kerl. Aber das ist ein anderes Thema….

  2. Avatar von Freerk
    Freerk

    Haha, Du meinst, weil man da hierzulande manchmal länger auf Hilfe warten muss, als in der Mongolei?

  3. Avatar von acki

    Hi Freerk, recht hast Du und ich würde jeden Satz unterschreiben! Wer Äpfel mit Birnen vergleicht ist entweder zu blöde, oder einfach nur missgünstig. Die beiden Akteure haben nicht nur einige zum Reisen auf zwei Rädern angeregt, sie haben viel mehr – und das muss man ihnen als Moppedfahrer einfach hoch anrechnen -, deutlich zur Verbesserung des Motorradfahrer Image beigetragen. Um auf deine Frage auf meine letzte Anmerkung einzugehen, einige Ruhries waren erst gestern wieder mal gemeinsam unterwegs um sich im Anschluss den Vortag von Jan-Hendrik Neumann über seine 20monatige Weltreise auf einer Ténéré anzusehen. Sollte Jan mal nach Berlin kommen, nicht verpassen! Ciao, Acki

  4. Avatar von André
    André

    Volle Zustimmung. Selbst unter Berüchsichtigung der kommerziellen Ausrichtung der Produktionen waren das doch beileibe keine Feierabendrunden die die beiden da gemacht haben. Nach LWR war ich so angefixt, dass ich nach jahrelanger Harley-Eierei mir ’ne GS ADV zugelegt habe und seitdem wieder richtig Spass am Mopedfahren habe.

    Gruß
    André

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