Teil 8: Jede Beule eine Erinnerung

Am nächsten Morgen brechen wir zeitig auf, schließlich soll es heute 2800m hoch gehen! Im nächsten Ort kaufen wir unsere mittlerweile obligatorischen Lebensmittel: Brot, Tomaten, Knoblauch und Schmelzkäse. Richtiger Käse, Aufstrich oder -schnitt ist in Marokko quasi nicht zu bekommen, aber unsere mittäglichen Gemüsebrote sind auch so stets ein Highlight, auf das wir uns freuen.


 

Noch vor dem Frühstück erwartet uns mit der Todra-Schlucht gleich die erste Attraktion. Ihre Felswände erstrecken sich links und rechts 300m hoch, an manchen Stellen ist die betonierte Strasse tief unten im Canyon nur wenige Meter breit. Nach starken Regelfällen kommt man hier sicher nur mit Schnorchel weiter. Zum ersten mal in Marokko spielt mein Navi verrückt und wähnt uns fortwährend etwa 50 Meter neben unserer wahren Position, was für allerlei verrückte Routenanweisungen sorgt.

 

Audio: Umboto Gorge von Dan & Adam Skinner

 

 

In der Planung hatte mir speziell dieses Teilstück unserer Tour etwas Kopfzerbrechen bereitet. Vielerorts war nämlich zu lesen, dass der kleine Abzweig zum n’Uguent Zegsaoun-Pass nur schwer zu finden wäre. Wir finden ihn indes aber sehr schnell, da sich genau dort jede Menge Kinder versammelt haben, um den hier offenbar häufig verlorenen Individualreisenden für einen kleinen Obolus den rechten Weg zu weisen. Ich rieche den Braten und biege unter lautem Geschrei ohne Halt links ab.

 


Die Schotterstrasse auf der Hochebene ist zunächst wunderbar zu fahren.


Kurz bevor wir uns endgültig in die Felsen des Hohen Atlas schrauben, wartet noch eine Überraschung auf uns: In einem kleinen Café im Nirgendwo treffen wir Paula und Mark von den Blauen Quellen wieder. Bei einem Pfefferminztee quatschen wir ein Bisschen, tauschen unsere Erlebnisse aus. Als wir vorschlagen, gemeinsam aufzubrechen, lehnen sie aber ab. Die beiden sind sich noch nicht sicher, ob sie diese Etappe mit ihren schwer bepackten Maschinen wirklich in Angriff nehmen wollen. Wir drücken ihnen die Daumen, und verabschieden uns.


 

 

Der Weg geht über traumhafte Fels- und Schotterserpentinen und lässt sich bis zu seinem höchsten Punkt ausgezeichnet fahren. Selbst diejenigen unter uns, die vor Marokko nur über wenig Offroaderfahrung verfügten, kommen gut mit.

 


Oben angekommen: Muttis ganzer Stolz!


Mittagessen bei erfrischenden 20°C auf 2700m

Auf dem Weg nach Unten wird es dann deutlich unangenehmer. Der Weg wird erst zum Pfad, dann zum Geröllfeld, und schließlich fahren wir in einem weit auslaufenden Flussbett. Unsere Geschwindigkeit sinkt immer weiter, diesmal auch ungleichmäßig in der Gruppe. Nach schwierigen Teilstücken wird auf die Nachzügler immer wieder gewartet. Kopfgrosse Felsbrocken im Weg fordern unsere ganze Aufmerksamkeit. Was passiert, wenn die nach einiger Zeit schwindet, muss Sebastian dann an einer meterhohen Böschung erleben.

 


Durch diese hohle Gasse muss er kommen! Beziehungsweise: Hätte er kommen müssen!



Teurotech! Mit der linken Box knutscht Sebastian einen Felsblock, der zwar günstiger, aber deutlich unnachgiebiger ist.



Geschüttelt, nicht gerührt: Pferd und Reiter werden mit einem Ruck zur Seite katapultiert, bleiben jedoch unverletzt…



… was man vom Bremshebel leider nicht sagen kann.


Sebastian kann zwar noch vor Ort Kiste und Hebel wieder einigermaßen richten, aber seine Laune ist im Keller. Ich versuche ihm gut zu zureden; meine Ausrüstung ist übersät mit Beulen und Dellen, jeder Kratzer eine Erinnerung, Spuren des Gebrauchs erhöhen den Wert. Den ideellen, versteht sich.
Etwas niedergeschlagen rappeln wir uns wieder auf, und fahren weiter. Der Rest des Wegs ist nicht minder anstrengend, aber wir fahren langsamer, und kommen ohne weitere Probleme durch.

 


Egal, wie abgelegen ein Ort in Marokko auch scheinen mag, das internationale Zeichen für Geld ist niemals weit weg.



Als wir endlich am anderen Ende der Passstraße ankommen, sind wir zunächst noch etwas groggy…



… werden in der Dades-Schlucht dann aber wieder munter!



Und bei Marokkos vielleicht berühmtesten Motiv…



… können dann auch endlich wieder ein paar Kurven gekratzt werden!



Am Ausgang der Schlucht zeigt uns der hohe Atlas dann noch mal den Finger.



Da sich unser ursprünglich angepeilter Campingplatz als nicht existent erweist, fragen wir hier nach einer Übernachtungsgelegenheit. Der Besitzer lässt uns die Zelte einfach auf seinem Innenhof aufschlagen, und bereitet uns darüberhinaus noch eine ausgezeichnete Hühnchentajine.



Zelt mit Aussicht in die Dades-Schlucht.


Während Sebastian sich noch geräuschvoll müht, seine Seitenkoffer in die ursprüngliche Form zu versetzen, sitzen wir anderen über der Routenplanung für morgen. Wir nehmen uns eine etwas längere Transitetappe vor, um dann Übermorgen den Tizi-N-Test Pass erreichen zu können. Nach dem Essen gibt es statt angekündigter heisser nur eine realexistierende kalte Dusche. Danach falle ich schlapp auf die Matratze, und während im Tal der Muezzin zum Abendgebet ruft, schlafe ich sofort ein.

 


Rechts Todra, links Dades. Und dazwischen jede Menge Steine!


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