Teil 10
Grünes Schilf & Schwarzes Meer

Es brummt erst von links nach rechts, und dann von rechts nach links, immer hin und her. BRUMM, WROOOOOM. Und es ist verdammt heiß! Warum ist es so heiß?

Man kennt das ja aus den feinen Kurorten am Meer: Jeden Morgen wird maschinell der Strand gesiebt. Zum einen, damit alles schick aussieht. Zum anderen, um verlorene Schmuckstücke, Münzen und Autoschlüssel zu Tage zu fördern, die Tags zuvor beim Sonnenbad verloren wurden. Mamaia ist sicher kein feines Strandbad, aber auch hier wird sorgfältig gesiebt!

Apropos Sieb: Es fühlt sich ein Bisschen so an, als führe der Strandreinigungsbeauftragte mit seinem Trecker direkt durch meinen Kopf. Und der ist nach gestern Abend auf sowas noch gar nicht richtig eingestellt.

Für die Temperatur kann der Sandmann natürlich nichts. Mit Mühe bin ich kurz nach Sonnenaufgang aus dem sich schnell aufheizenden Zelt gerobbt. Mit einer frischen Brise konnte ich unter dem Tarp dann erstmal weiternicken.

Aber sei´s drum. Wir packen unsere Sachen, bezahlen an der Rezeption und brechen auf. Das Frühstück wird – wieder mal – auf unterwegs verschoben.

Was für ein herrlicher Tag!

Nach wenigen Kilometern passieren wir in Năvodari die Mündung des Poarta Alba-Kanals, der die Donau ein ganzes Stück vor ihrer Mündung mit dem Meer verbindet. Die Raffinerie im Hintergrund kann man schon von weitem riechen. Zwischenzeitig wird der Gestank nach brennendem Plastik so stark, dass ich das Visier runterklappen muss.

Die Raffinerie gehört der in Rumänien allgegenwärtigen Rompetrol, die auf dem Gelände auch eine Tankstelle betreibt, quasi ein Factory Outlet. Das kommt uns gerade Recht!

Mit € 1,20 pro Liter Super ist der Sprit in Rumänien so billig wie in keinem anderen Land Europas. Mit der Qualität hatten wir dabei nie irgendwelche Probleme. Die Tankstellendichte ist sicher ähnlich hoch wie bei uns. Ich überlege regelmäßig, mir für meine F800 mal einen größeren Tank zu besorgen, merke auf Reisen dann aber immer, wie unnötig sowas ist.

Auf den vergangenen 2300 Kilometer von Berlin bis hierher hatte ich im Schnitt einen Verbrauch von knapp 4,5 Litern. Selbst mit dem Minitank der F komme ich da 350 Kilometer weit. In Sebastians TT und Behrangs Tenere passen zwar ein paar Liter mehr, ihr höherer Verbrauch macht uns aber wieder synchron.

Auch hier an der Küste begegnen uns vielerorts noch die typischen Kirchen mit ihren silbernen Dächern.

Am frühen Nachmittag wird es dermaßen heiß, dass wir alle eine Pause und einen kleinen Snack gebrauchen können. Da wir uns parallel zur Nationalstrasse auf einer kleineren Seitenstrecke bewegen, kommen wir an keinerlei Geschäften oder Bäckereien vorbei.

In einem Dorf halten wir schließlich an einer kleinen Bar mit Terrasse an. Es ist nicht viel los, zwei Jungs springen um uns herum, im Hintergrund spielen ein paar Männer Domino. Im Anbau kaufe ich drei Kaffee und ein paar eingeschweißte Croissants mit Fruchtfüllung. Muss reichen!

Als ich mit dem Kaffee wieder nach draußen komme, scheint sich unsere Ankunft im Dorf herumgesprochen zu haben. Plötzlich sind alle Tische besetzt! Am Nachbartisch haben sich sogar ein paar 13-jährige Mädchen niedergelassen, die verstohlen in alle möglichen Richtungen gucken. Herrjeh!

Die Jungs sind da weniger umständlich. Die setzen sich einfach direkt zu uns an den Tisch. Jeder unserer Handgriffe wird genauestens beäugt – und kopiert. Da ist eine Kopfwäsche von Behrang schon sowas wie ein Ritterschlag!

Am Nachmittag tauchen die ersten Ausläufer des Donaudeltas auf. Links und rechts der Strasse erstrecken sich lange Kanäle, hier und da stehen Männer im Schilf und angeln.

Auf der dem Meer zugewandten Seite der Strasse entdecken wir auf einem Hügel plötzlich eine alte Festungsruine. Da wir gut in der Zeit liegen, beschließen wir, ihr einen Besuch abzustatten.

An einer Stelle mit Ausgrabungen vorbei, fahren wir querfeldein über trockene Wiesen bis hoch zur Burg. Oben angekommen stellen wir fest, dass es hintenrum auch eine Strasse gibt.

Bei der Ruine handelt es sich um die ehemalige Festung Enisala, die im 14. Jahrhundert von Kaufleuten aus Genua erbaut wurde. Die hatten damals das Monopol über die Schwarzmeer-Schifffahrt. Ab dem 15. Jahrhundert nutzten dann die Osmanen die Anlage als Militärgarnison. Im 16. Jahrhundert wurde sie wieder aufgegeben.

Außer alten Mauern und einem Turm gibts nicht viel zu sehen. Aber die Aussicht ist die Bombe!

Nach Osten hat man auch einen tollen Blick auf den größten See Rumäniens, den Razim-See.

Nach dem Rundgang durch die alten Mauern erweckt auf dem Parkplatz ein unscheinbares, unter Umständen aber sehr wichtiges Detail unsere Aufmerksamkeit.

Sebastians Metzeler Enduro 3 hat auf der rechten Reifenflanke einen schwarzen Streifen, der sich bei näherem Hinsehen nicht als schwarz, sondern als saubergeschruppt entpuppt.

Auf der Innenseite des Endtopfes finden wir das dazu gehörige Gegenstück. Der Mantel schleift beim Einfedern am Auspuff! Nicht gut!

Verschiedene Ursachen sind hierfür denkbar. Die Dimensionen des Reifens könnten zu groß sein. Der Auspuff könnte sich verzogen haben und zu weit innen sitzen. Das Hinterrad könnte schief in der Schwinge sitzen. Die Schwinge könnte sich verzogen haben.

Nun, mit einem dieser Kandidaten hatten wir auf dieser Reise ja schon zu tun. Da die Schweißnaht an der Schwinge aber nach wie vor tiptop aussieht, beschließen wir, erstmal nichts zu unternehmen, und die Sache weiter zu beobachten.

Auf unserem letzten Campingplatz hatte uns ein benachbarter Camper geraten, im Donaudelta den Ort Mahmudia anzufahren, um von dort eine Rundfahrt mit dem Motorboot durchs Delta zu machen. Als wir in der kleinen Ortschaft Murighiol einen Blick auf die Karte werfen, schmeissen sich uns sofort mehrere Anbieter von Bootstouren an den Hals. Da wir den Ausflug ohnehin erst morgen machen wollen, lehnen wir dankend ab, und kehren erstmal in einem kleinen Lokal in der Ortsmitte ein.

Während um uns herum die Pferdefuhrwerke klappern, genießen wir gute und günstige Hausmannskost.

Ein deutsches Pärchen am Nachbartisch gibt uns schließlich einen Tip für einen kleinen aber feinen Campingplatz um die Ecke, dessen Besitzer auch Bootstouren anbietet. Keine fünf Minuten später bauen wir unsere Zelte in seinem Garten auf.

Unsere gestrige Aktion mit den Socken im Wind hat uns schwer zu denken gegeben. Da ein Großteil unserer Wäsche ihren Zenit auf dieser Reise nasenscheinlich deutlich überschritten hat, wird es allerhöchste Zeit für eine Waschaktion. Bisher hatten wir ja immer das Problem, dass es nie genug Zeit zum Trocknen gegeben hätte, weil wir ja ununterbrochen unterwegs waren. Vom Wetter einmal ganz zu schweigen.

Wir leihen uns bei Romeo, dem Campingplatzbesitzer, eine Schüssel und legen los.

Ein Fest für die Sinne!

Was Behrang hier so keck überwirft, ist kein Schlafsack, sondern meine Daunenweste. Sie ist mein sinnlosestes Gepäckstück EVER. Ich habe sie auf dieser Tour bisher nie getragen, muss sie aber ständig, wenn auch komprimiert, in meinen Taschen hin und her räumen. Warum hab ich mich von den Jungs vorher auch belabern lassen, man bräuchte in Rumänien eine Daunenweste. Im Juni! In den Karpaten kann oben noch Schnee liegen. Ja klar, habe ich gesehn. Aber ich will ja nicht im Schnee SCHLAFEN!

Merke: Rumänien ist nicht Afrika, aber im Sommer braucht man hier trotzdem keine Daunenweste.

Abends kommen unsere Platznachbarn mit ein paar Bier zu uns herüber, aber mitessen wollen sie nicht. Stattdessen macht sich ein feliner Besucher über die Reste her. Konnte sein Glück erst nicht fassen!

 

Der Plan für morgen ist folgender: Da wir in einer Woche wieder zu Hause sein müssen, wollen wir keinen ganzen Tag im Donau-Delta verbringen. Ein halber muss reichen. Mit Romeo haben wir ausgemacht, dass er uns früh morgens um 8h mit seinem Dacia abholt, und uns zum Hafen bringt, wo sein 60PS-Boot liegt. Von dort macht er mit uns dann eine Tour durch die Kanäle und Seen des Deltas. Am frühen Nachmittag kommen wir dann zurück und packen zusammen. An der ukrainischen Grenze entlang wollen wir dann ins Landesinnere fahren, und uns einen Pennplatz an der Donau in der Nähe von Brăila suchen. Ambitioniert!

Die Etappe: 155km
Es ist doch erstaunlich: Hatte unsere Laune vor etwas mehr als zwei Tagen noch einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht, konnte die Sonne unsere Stimmung im Nu wieder komplett restaurieren. Einzig die mysteriöse Schleifstelle an Sebastians Motorrad macht uns ein wenig Sorgen. Aber so lang der Kram hält – was soll da schon schiefgehen!


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