Teil 9
Beach Boys

Wir schlafen aus.

Erst am Vormittag treibt uns eine in den letzten Tagen völlig in Vergessenheit geratene Kraft aus den Zelten: Die Sonne! Üblicherweise versucht man sein Zelt ja so zu positionieren, dass es am nächsten Morgen im Schatten liegt. Bei regnerischem Wetter tendiere ich allerdings eher dazu, keine Bäume über mir zu haben, damit es nach einem Schauer nicht stundenlang nachdröppelt.

Nach dem gestrigen Nebelintermezzo haut uns der Anblick des Schwarzen Meeres heute direkt ein zweites Mal aus den Socken.

Apropos Socken! Die haben nun endlich mal Gelegenheit, richtig trocken zu werden. Mit der Windrichtung muss man aber ein Bisschen aufpassen, damit man nicht in der Fahne steht.

Die Stimmung könnte besser nicht sein!

Kleine Runde Schwimmen vorm Frühstück? Sicher!

Statt Schwimmen wird es doch eher ein kleiner Spaziergang. Verdammt flach, die Geschichte hier!

Nach dem Frühstück legen wir uns fest: Statt in die Sitzbänke unserer Motorräder wollen wir unsere Popos heute ausschließlich in den allerfeinsten Muschelsand drücken, Longdrinks schlürfen, und es uns ganz generell mal richtig gut gehen lassen!

Quads, Geländewagen und Roller: Für eine Reihe von Fahrzeugen besteht Strandverbot. Motorräder zählen aber offenbar nicht dazu. Oder sehen Sie hier ein Motorrad?

Statt es auf einen Versuch ankommen zu lassen, dösen wir lieber weiter in der Sonne vor uns hin. Am Nachmittag setzt auf der Partymeile nebenan Loungemusik ein, und wir schlendern in T-Shirt und Shorts zu einem der Strandcafes.

Während Behrang und ich uns in fette Sitzsäcke fallen lassen, organisiert Sebastian Getränke.

Erklären kann er uns nicht, was er da mitgebracht hat. Der Barkeeper hätte ihn mit Händen und Füßen beraten. Schmeckt aber ganz gut.

Nach einem Nickerchen schlendern wir am Strand zurück zu den Zelten.

Auch wenn ich mein Reisegepäck in den vergangenen Jahren auf das Nötigste geschrumpft habe – Handluftpumpe statt Kompressor, Shampoo statt Rei in der Tube, Weitwinkel statt Tele – bleibt ein Ding trotzdem fest gebucht: Ein anständiges Hemd. Nix kurzärmeliges, kein Multifunktionskram, ohne Stickerei auf der Brust. Richtig schön mit Knopf und Kragen. Falls man mal schick aussehen muss.

In genau das schmeiße ich mich heute Abend, denn wir wollen das Nachtleben von Mamaia ein Bisschen unsicher machen. Sebastian und Behrang geben ihr bestes mit zwei notdürftig ausgeklopften Fleecejacken. Der gute Wille zählt, sag ich mal!

Von unseren Zelten bis zur Strandpromenade sind es knapp sechs Kilometer. Als wir auf der Strasse vor dem Campingplatz etwas hilflos nach einem Taxi Ausschau halten, kurbelt eine Frau die Fenster runter und fragt uns, ob wir mitwollen. Bingo!

Sie empfiehlt uns ein Restaurant und setzt uns direkt vor der Tür ab. Leider müssen wir schnell feststellen, dass es derselbe Fraß ist, den es in Touristenorten auf der ganzen Welt gibt. Pizza, Schnitzel und Konsorten, langweilig zubereitet. Von landestypischen Einschlägen auf der Karte keine Spur. Sebastian ist richtig sauer über seine überbackenen Penne. Hinterher antwortet er sogar ehrlich auf die Frage, ob es geschmeckt habe: No.

Meine Meeresfrüchte sind ganz okay, kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit aber nicht aus dem Meer, dass 100m weiter brandet. Behrang ist über seine Pizza zwar nicht unglücklich – aber wann ist man über eine Pizza schon mal richtig unglücklich?

Die Promenade von Mamaia ist zwar theoretisch eine echte Strandpromenade, praktisch wird sie im Sommer aber auf der Meerseite an den meisten Stellen zugebaut.

Dazu werden direkt auf den Sand Holzgebäude und Tanzböden gesetzt. Mamaia ist ganz auf Tourismus ausgerichtet und nahezu ausschließlich während der Sommermonate bewohnt, dann geht der Besucherstrom in die Hunderttausende. Heute haben wir noch Glück.

Es ist angenehm warm. Wir setzen uns auf eine Bank und holen uns an einem Verkaufsstand, der ausschließlich aus Kühlschränken besteht, ein Bier. Wenn man genau hinsieht, gibt es dazu passend direkt nebenan einen Geldautomaten und eine Apotheke.

Dass wir uns Anfang Juni noch vor der rumänischen Urlaubssaison befinden, erkennt man auch an zahlreichen Plakatwänden, die zwar noch leer sind, irgendwie aber trotzdem schon Werbung für Mamaia machen.

Da es schlichtweg noch keine sonderlich große Auswahl an geöffneten Diskotheken und Clubs gibt, lassen wir uns in einem Schuppen namens Crema-Bar nieder. Zwischen einem fest gebauten Teil an der Promenade und dem temporären Teil am Strand fliegen fortwährend Kellnerinnen hin und her. Die Musik in den Bereichen ist aus mir unerfindlichen Gründen aber weder synchronisiert, noch überhaupt ansatzweise ähnlich, was zu einer Zone der Unerträglichkeit in der Mitte führt.

Wir trinken ein paar Cuba Libre und versuchen mehrmals, mit anderen Gästen ins Gespräch zu kommen, was zumeist an überschaubaren Englischkenntnissen auf der anderen Seite scheitert.

In den Morgenstunden lernen wir dann doch noch jemanden kennen: Den auf dem Tresen tanzenden Chef des Ladens, einen netten Kerl. Als er irgendwie mitbekommt, dass wir Deutsche sind, freut er sich wie wild. Er habe in Deutschland studiert – irgendwas metallverarbeitendes in Dresden. Details seiner Beschreibung gehen leider in den Drinks unter, die er uns spendiert. Quer durch den Laden ruft er Leuten zu, ob sie mitbekommen hätten, dass hier Deutsche sind?

Zeit, die Biege zu machen!

Während es schon langsam wieder hell wird, schnappen wir uns ein Taxi und fahren zurück zum Campingplatz. An der rumänischen Schwarzmeerküste kann man sich sehr schön einen Sonnenaufgang über dem Meer ansehen. Den sparen wir uns aber, weil wir morgen, beziehungsweise – nachher, nicht all zu spät aufstehen wollen. Tagesziel soll dann nämlich das Donaudelta an der Grenze zur Ukraine sein.

Die Etappe: 10km
Ein Tag lang Sonne satt – hatten wir uns aber auch verdient! Und der Wetterbericht lässt keine Veränderung der Lage erkennen: Sonne an der Küste, Regen im Inland. Da fällt die Wahl nicht schwer. Morgen soll es Richtung Norden gehen, immer am Meer entlang.


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