Teil 9: Egal aus welcher Richtung die Sonne scheint

Ein Morgen zum Abgewöhnen. Nach dem Aufstehen erwartet uns Nieselregen bei denselben Temperaturen wie gestern Abend. Selbst unser mittlerweile traditionelles Frühstück kann die Stimmung da nicht sonderlich aufbessern.

Wir wischen die die nassen Zelte notdürftig ab und packen den Kram halbnass zusammen. Heute Abend dürfen wir alles zu Hause noch einmal auspacken, statt das ganze erst beim nächsten Urlaub wiederzusehen.

Dirk steckt den Kurs Richtung Heimat. Kompliziert dürfte es nicht werden, Kurs Nord-Nord-Ost, 700km am Stück, Augen zu und durch. Statt für den vermeintlich schnelleren Weg via München entscheiden wir uns für den direkten Kurs. Nur zwei Strassen sollen uns nach Hause führen: Erst entlang der B17 Richtung Nürnberg, dort dann auf die A9 und ab nach Berlin. Keine Kurven, keine Steigung, keine Aussicht.

In Augsburg fängt es erst langsam, dann ordentlich an zu schiffen. Bei Geschwindigkeiten >100kmh treib es einem die Nässe über kurz oder lang durch die kleinste Lücke, Regenkombi hin oder her. Man wischt sich übers Visier, hat zehn Sekunden lang Sicht, wischt wieder und immer wieder, Kilometer auf Kilometer. Fast fühlt es sich an, als ob uns Petrus wie zwei reudige Hunde aus dieser Tour verabschieden möchte. Aber wer will es ihm verdenken? Schließlich haben wir ihm fast neun Tage eine lange Nase gedreht.


Dirk und ich auf der B17, kurz hinter Augsburg.

Irgendwann flüchten wir uns in einen Burger King direkt an der zweispurigen Schnellstrasse. Wir besorgen uns einen Capuccino und wärmen uns etwas auf. Die Kaffeequalität holt uns schnell wieder zurück auf den Boden der teutonischen Tatsachen. Wieder mal bestätigt sich meine Theorie zur diametralen Qualitätsstreuung von Kaffee und Bier in Europa: Fährt man Richtung Süden, wird das Bier schlechter, aber der Kaffee besser. Fährt man Richtung Norden, ist es andersrum. So gesehen sollte es möglich sein, jeden beliebigen Ort in Europa entlang einer Linie zu bestimmen, indem man jeweils ein lokal gebrautes Bier und einen Kaffee probiert und vergleicht.

Was für Gedanken man sich auf langen Transitstrecken immer macht! Herrlich!

Wir warten eine halbe Stunde und glotzen auf das Wetterradar im Handy. Nördlich der Donau regnet es nicht, also holen wir noch einmal tief Luft und springen wieder in die Fluten. Tatsächlich hört es 50 Kilometer weiter schlagartig auf und die Klamotten sind im Nu trocken. Auch die Temperatur ist deutlich gestiegen – analog dazu auch unsere Laune.

 


 

Wir ölen die Ketten nach und machen eine kleine Verschleißkontrolle der Tour. Bis auf ein paar Schürfwunden nichts nennenswertes zu berichten.

 

 

 


Etwa auf halber Strecke wird die eiserne Energiereserve angebrochen: Ein gutes Stück Österreich!

 


Kurz vor Berlin wird zum letzten Mal getankt. Nicht zu viel, wie am vierten Tag, und nicht zu wenig, wie am achten.

 

In Neukölln trennen sich Dirks und meine Wege. Wir verabschieden uns kurz und schmerzlos, und sind froh, endlich wieder zu Hause zu sein. Trotzdem fühlt es sich seltsam an, die Sonnenallee allein entlang zu fahren, kein Motorrad im Rückspiegel, keins vor der Nase.

Es war eine wunderbare Reise, die zwar planlos begann, es im Grunde genommen aber nie so ganz war. Denn ein Plan ist keine Linie auf einer Landkarte, sondern ein Wunsch. Die Absicht, gemeinsam eine tolle Tour zu fahren.

 

Egal aus welcher Richtung die Sonne scheint.

 


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Kommentare

2 Antworten zu „Teil 9: Egal aus welcher Richtung die Sonne scheint“

  1. Avatar von Luz

    Klasse Tour! Hat sehr viel Spass gemacht zu lesen.

  2. Avatar von Freerk
    Freerk

    Dankeschön Luz!
    Hat auch Spass gemacht, zu schreiben.

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