Teil 8: Kalter Entzug

Am vorletzten Tag unserer Tour weckt uns die Sonne über einem fast strahlend blauem Himmel. Wir packen unsere Piselotten zusammen und trotten noch etwas verschlafen ins Esszimmer, wo schon das Frühstück auf uns wartet.

 

In der Küche steht ein Topf mit selbstgemachter Marmelade auf dem Herd, der Duft zieht sich durchs ganze Haus. Nach dem Frühstück schmieren Dirk und ich uns noch ein paar Stullen für den Weg, dann bezahlen wir und verabschieden uns von Frau Hofer. Es war wieder mal sehr schön – ich freue mich schon aufs nächste Mal.

 

Ein letzter Blick auf den See, dann machen wir uns auf den Weg. Rund 300km stehen heute auf dem Programm.

 

Aus dem Sarntal heraus soll es zunächst über das Penser Joch nach Norden gehen, dann westwärts über den Jaufenpass und das Timmelsjoch nach Österreich. Dort wollen Dirk und ich einen kleinen Abstecher auf die Ötztaler Gletscherstrasse machen, die immerhin auch noch mal auf über 2800m geht. Über das Hahntennjoch und den Namlossattel geht es weiter Richtung Deutschland, wo wir am Abend im Grenzgebiet ein letztes Mal unser Zelt aufschlagen wollen.

 

Der erste Pass des Tages flutscht schon ganz gut! Auffahrt aufs Penser Joch.

 


Auf der Passhöhe ist es in 2211m schon ziemlich frisch, Dirk und ich lassen die Helme lieber auf.

 


Melde gehorsamst: Landnahme Jaufenpass um 11:29 erfolgt!

 

 

Auf dem Jaufenpass gibt es ein Café mit einem schönen Panoramblick, in dem wir uns einen heissen Tee genehmigen. Die Auffahrt war landschaftlich sehr schön, wegen in weiten Teilen regennasser Fahrbahn aber nicht sonderlich spannend zu fahren. Die schöne Aussicht muss uns in diesem Fall also genügen.
Auch auf dem Jaufenpass ist es bitterkalt, und uns schwant so langsam, dass sich daran im Laufe des Tages nicht viel ändern dürfte. Unser Nachtlager soll zwar wieder deutlich niedriger liegen, aber die kommende Nacht wird bei diesen Temperaturen sicher kein Zuckerschlecken.

 


Aufgesattelt! Nächster Stop: Timmelsjoch.

 

Auf dem Weg zum Passo del Rombo begegnet uns beim Tanken eine Reisegruppe mit BMW-Testwagen. 1er, 3er und X3 machen offenbar einen Tagesausflug aus München, mit Testcomputern und Klemmbrettchen auf dem Beifahrersitz. Als wir uns ein Bisschen mit den Fahrern unterhalten wollen, tun die aber blöd. Seis drum!
Nachdem die Blechdosen randvoll mit Sprit auf Konzernkosten vom Hof der einzigen Tankstelle weit und breit rollen, sind Dirk und ich an der Reihe. Da wir nach wie vor in Italien sind, und das Benzin hier immerhin mit 1,98€ zu Buche schlägt, entscheiden wir uns, gerade so viel Sprit zu bunkern, dass wir es bis nach Österreich schaffen. Wir drücken dem etwas enttäuscht dreinblickenden Tankwart 15€ in die Hand, die er gleichmäßig auf unsere Motorräder verteilen soll.

 

Die trockene Strasse aufs Timmelsjoch können wir schon zügiger in Angriff nehmen. Vorsicht Überlänge!

 

Oben angekommen, halten wir uns nicht lange mit Motorradfahrersentimentalitäten auf. Ich war schon ein paar Mal auf dem Timmelsjoch, Dirk auch, außerdem ist es ziemlich nebelig und arschkalt. Wir knipsen nicht mal ein Foto. Deswegen müsst ihr euch das, was dann passiert, auch auf Video angucken. Bei Dirk ist nämlich an der Mautstation auf österreichischer Seite unversehens der Sprit alle!

 

 

Diesem italienischen Tankwart gehört wirklich ganz tüchtig der Hintern versohlt! Der hatte in der Schule wahrscheinlich nur Singen und Klatschen. Halbieren jedenfalls nicht!

Dies ist das erste Mal, dass mir auf einer Tour ein leerer Tank begegnet. Jedes Mal überlege ich im Vorfeld, einen 2l-FuelFriend mitzunehmen, lasse es dann aber sein, weil man Ersatzkanister in Mitteleuropa einfach nicht braucht. Vorausgesetzt, man gerät nicht an Tankwarte, die an Dyskalkulie leiden. Natürlich gibt es schlimmere Orte, an denen man ohne Sprit liegenbleiben kann, als einen 2800m hohen Berg. Die nächste Tankstelle ist laut Navi im rund 7km entfernten Obergurgl, wobei man sagen muss, dass Obergurgl ein reiner Skiort ist und in einer Sackgasse liegt. Ob sich dort um diese Jahreszeit überhaupt irgendeine Menschenseele aufhält, ist fraglich.

Wir lassen es einfach mal darauf ankommen. Mit Hilfe der Hangabtriebskraft rollt Dirk im Leerlauf munter drauflos, ich mit Warnblinkanlage hinterher. Zwischenzeitlich kommen wir so auf stattliche 80kmh, aber an der ersten Kreuzung im Tal ist Schluss. Die Fuhre steht.

Wer sein Motorrad liebt, der schiebt – oder hat einen Spanngurt dabei, mit dem kurzerhand der Gepäckträger der vollen mit dem Sturzbügel der leeren Maschine verbunden wird. Klappt 1A!

 


Gespannfahren mal anders – Am Ende sind wir trotzdem froh, an einer Zapfsäule zu stehen.

 

Die Tankstelle erweist sich als Automatensäule vor ein paar Garagen. EC-Karten mag sie nicht, uns so wandert unser letztes Bargeld in den Schlitz. Danach brummt Dirks F800GS wieder in gewohnter Manier, und wir machen uns an die Ötztaler Gletscherstrasse. Die geht zwar ordentlich hoch, ist aber landschaftlich in etwa so interessant, wie ein Berliner Recyclinghof.

 


Auf der anderen Seite des höchsten Strassentunnels der Alpen machen wir kehrt und fahren zurück zum Rettenbachjoch.

 


Mittagspause auf einem leeren Parkplatz.

 

 

 


Mysterische Suppe auf 2800m.

 


Nach Omas Geheimnissen weihen wir feierlich Dirks Espressokanne ein. Und jetzt?

 


Dirks und Freerks letzte Planlos-Planung…

 


Zum Glück passiert auf den letzten Metern nichts mehr. Außer, dass Dirk beim Pinkeln seine Maschine umschmeißt.

 


Beim nächsten Mal Bescheid sagen Dirk! Dann hätte ich gehalten und Du hättest deine Maschine im Blick gehabt!

 

Als wir das Hahntennjoch und den Namlossattel überqueren, ist es schon spät am Nachmittag. Diese Strecken sind zwar immer schön zu fahren, gehen aber mehr oder weniger im allgemeinen Strudel der Erinnerungen der letzten Tage unter. Eine KTM leistet Dirk und mir über weite Strecken noch etwas Gesellschaft, biegt dann aber kurz vor unserem Campingplatz ab. Letztes Highlight des Tage ist eine Kleinwagen voller Italiener, die uns an einer Tankstelle nach dem Weg zum Oktoberfest fragen. Dabei haben sie nichts: Keine Karte, kein Navi, und leider auch kein Englisch. Mit der Hand gebe ich die grobe Himmelsrichtung vor und versuche verzweifelt, ihnen die Ortsnamen bis München einzutrichtern. Viel Erfolg Jungs!

 

Auf dem Campingplatz am Heiterwanger See ist es klirrend kalt. Das Mopedthermometer zeigt eine Temperatur im niedrigen, einstelligen Bereich. Dick eingepackt kochen Dirk und ich unser letztes, gemeinsames Abendessen: Kotelett, Kartoffegratin und Salat. Danach zwei schnelle Bier, damit es im Zelt zumindest während der Einschlafphase auszuhalten ist.

 

Mit kalter Nase und in voller Montur steigen wir in unsere Schlafsäcke. Morgen Abend liegen wir wieder in richtigen Betten.


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