Teil 3: Höchste Höhen!

Nach einer angenehm ruhigen Nacht entscheiden wir uns am nächsten Morgen, die Zelte noch nicht abzubauen, sondern noch mindestens einen weiteren Tag auf San Michele zu bleiben. Der an einem Hang auf Terassen angelegte Campingplatz ist zwar auch bei Tageslicht nicht schöner geworden, liegt zum einen aber geografisch günstig in der Nähe verschiedener Off- und Onroad-Pässe, zum anderen wird es auf 500m ü.d.M. des nachts nicht unangenehm kalt, so dass wir es mit unserem Feierabendbierchen auf der Picknickbank gut aushalten können.

 

Zur Toilette gilt es bergab stolze fünf Terassen zu überwinden. Das bedeutet, dass man Klogänge antizyklisch ansetzen sollte: Man muss sich auf den Weg machen, bevor man muss, und rechnet am besten schon mal im Kopf mit, wie viele Splügen (unser jeweils letzter „Pass“ des Tages) man schon hatte. Jedes Splügen schlägt mit 0,6 Liter zu Buche, und diese vermeintlich winzige Abweichung von der deutschen Bier-Norm-Größe führt dazu, dass unsere ersten Schätzungen bezüglich der Durchlaufgeschwindigkeit samt und sonders falsch sind. Wir laufen immer erst dann los, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

 

 

 

Mit kleinem Marschgepäck machen Dirk und ich uns auf den Weg ins nahe gelegene Giaveno, um dort zu frühstücken. Es ist Sonntag, und der kleine Ort empfängt uns mit einem großen Floh- und Fressmarkt. Es ist ordentlich Verkehr, sowohl auf den Strassen, als auch in der Fußgängerzone. An einem zentral gelegenen Kreisverkehr finden wir mit Müh und Not einen Stellplatz für die Motorräder. Quer über die Strasse liegt ein schönes Café und wir bestellen Cappuccino und jeder ein Panini.

Zwei Wunsch-Ausflugsziele kristallisieren sich bei Dirk und mir heraus: Die Assieta-Kammstrasse (die in mund- und schreibfaulen Motorradfahrerforen nur kurz AKS gennant wird) sowie der Col du Sommeiler. Letzterer ist im Grunde genommen eigentlich kein Col (also ein Pass), sondern im Prinzip nur noch ein Punkt, den man anfahren kann. Früher gab es dort in rund 3km Höhe mal ein Gletscher-Skigebiet, dass aber nach einem schlimmen Lawinenunglück in den 60er Jahren geschlossen wurde.

Sowohl Sommeiler, als auch Assieta liegen ca. 50km westlich von uns. Trotzdem ist es eher unwahrscheinlich, dass wir beide an einem Tag schaffen können. Unsere Priorität liegt angesichts des schönen Wetters aber schlussendlich beim Sommeiler, den man wegen Schneefeldern ohnehin nur in wenigen Wochen im Spätsommer und Frühherbst befahren kann. Dieses Fenster müssen wir also ausnutzen. Erst über die Landstrasse, dann wegen eines fahrlässigen Navigationsfehlers meinerseits via Autobahn, fahren wir nach Bardoneccia, wo die etwa 25km lange Auffahrt zum Sommeiler beginnt.


Bei einem solchen Leckerbissen dürfen natürlich auch unsere Helmkameras nicht fehlen. Ich favorisiere generell die Befestigung seitlich am Helm. Sicher, mittig oben hat man möglicherweise die schönere Perspektive – dafür sieht man aber immer ein Bisschen aus wie ein Tele-Tubbie.

 


Das Video von unserer Auffahrt zum Sommeiler – ziemlich lang, ich weiss. Spult euch einfach direkt in die Mondlandschaft bei Min. 38:00 vor. Und HD nicht vergessen!

Anfangs geht es auf einem schmalen und bequemen Teerband durch dichten Wald. Da aber schon Bardoneccia auf einer Höhe von 1300m liegt, ist die Baumgrenze schnell erreicht. Kurz hinter dem Stausee Lago di Rochemolles (06:20) verschwinden die letzten Bäume und geben die Sicht auf eine sagenhafte Landschaft frei (15:00). Eine dreiviertel Stunde sind wir so auf unbefestigten Wegen unterwegs. Erst überwiegt fester Schotter, dann wird der Untergrund zunehmend lockerer. Die letzten Kehren unterhalb des Gipfels warten dann mit dicken Felsbrocken im Weg auf. Kurzum: Ein Riesenspaß!

 


Das letzte, was oben vom einstigen Gletscher übrig geblieben ist: Der Lago Sommeiler. Wobei der Titel Lago für diese Pfütze heute etwas übertrieben sein dürfte. Früher gab es auf der Fläche links mal eine kleines Hotel, bzw. eine Wetterstation. Hier zu sehen. Damals sah auch der Schmelzwassersee noch ganz anständig aus.

 

 

Motorradspuren findet man jede Menge. In der halben Stunde, die wir oben sind,
bleiben Dirk und ich aber allein. Klar, da muss man sich anderweitig beschäftigen:

 

 

Ich fotografiere Dirk...

 

… und Dirk fotografiert mich. Schuss und Gegenschuss.

 


Das Navi bestätigt: Wir sind obenauf!

 


Wir steigen noch ein paar Meter zu Fuß weiter, fangen aber ziemlich schnell an, zu schnaufen. Obwohl es mit 9°C nicht wirklich kalt und der Tag noch immer sonnig ist, machen wir uns wieder vom Acker. Beziehungsweise vom Geröllfeld.

 

Auf dem Hinweg waren wir auf etwa halber Strecke (im Video bei 10:20) an einem kleinen Camp auf einer Wiese vorbeigekommen. Dort fahren Dirk und ich nun kurzentschlossen rechts ran, und parken neben einem 4X4 und einem Quad. Mit den Campern kommen wir schnell in Gespräch: Eine französische Familie aus dem nahen Briançon, die jedes Jahr im Herbst ein paar Tage hier oben zeltet. Großzügig laden sie uns zu Kuchen und Getränken ein, der Kaffee ist leider schon verstaut, weil sie gleich den Heimweg antreten wollen. Eine Runde Boule gegen uns sei aber in jedem Fall noch drin!
Dirk und ich willigen ein, in der festen Annahme, wir würden mit wehenden Fahnen untergehen. Aber das Gegenteil ist der Fall! Die Deutschen fahren einen glorreichen Sieg gegen die Grande Nation ein!

 

Zum Abschied bekommen wir sogar noch ein paar Lebensmittel geschenkt, die Dirk und ich gern annehmen. Schließlich ist immer noch Sonntag – und über unser Abendessen haben wir uns noch keine Gedanken gemacht. Instant-Couscous-Salat, grüne Tomatenmarmelade und ein Dose Entenstopfleber werden umgehend unter Dirks Gepäcknetz verstaut. Muss man sich mal vorstellen: Auf 2000m trifft man im Nirgendwo ein paar Franzosen, und was schenken die einem? Entenstopfleber. Bei uns gäbs höchstens Schweinskopfsülze!

 


Grüne Tomatenmarmelade, selbstgemacht!

 

 


Klingt etwas ungewöhnlich, entpuppt sich aber als verdammt lecker!

 

Nach all dem Gequatsche und zwei Runden Boule ist es schon spät am Nachmittag und damit zu spät für die Assieta. Dirk und ich entschließen uns, direkt den Heimweg zum Campingplatz anzutreten. Unterwegs finden wir in Susa noch einen geöffneten Delikatessladen, in dem wir – nicht gerade kostengünstig – ein paar Eier, Speck, Gorgonzola und Brot kaufen. Damit sind wir für Abendessen und Frühstück auf der sicheren Seite.

In San Michele angekommen, merke ich ziemlich schnell, dass mich unser Offroad-Ausflug und die Höhe doch ordentlich geschlaucht haben. Ich bin ziemlich im fertig. Den Instant-Couscous-Salat funktionieren wir kurzerhand zu einer warmen Mahlzeit um. Dazu gibt es ein paar Würstchen, die ich noch in Berlin als Proviant für den Autozug gekauft hatte. Gute Kombi!

Danach werden wieder die Karten gewälzt. Per WLAN-Internet erzählt mir mein Handy, dass uns das Tiefdruckgebiet von vorgestern nach wie vor auf der Spur ist. In Ligurien, Richtung Süden, wären wir vielleicht vor ihm sicher – und dort wäre dann sogar das Mittelmeer in Schlagweite. Allerdings wären dazu immerhin noch einmal fast 200km zu überwinden.

Vielleicht also lieber Richtung Norden und Petrus bei den Hörner packen? Fragen über Fragen. Planlos wie immer!

Zunächst mal Gute Nacht!

 

 

 

 

Zusatzinfo: Stella Alpina am Sommeiler 1974/1980


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Eine Antwort zu „Teil 3: Höchste Höhen!“

  1. Avatar von Luz

    Klasse Bericht. Freu mich schon auf den nächsten Teil!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.